Europa als politische Idee

Die Europa-Ideologie der Griechen erfährt im frühen 8. Jhdt. mit der Bedrohung durch einen äußeren Feind, die Mauren (Sarazenen) eine Neubelebung. Karl Martell, der maior domus des Frankenreichs unter den Merowingern, besiegte in der Schlacht von Tours und Poitiers im Oktober 732 die über die Pyrenäen vordringenden Araber, die die Iberische Halbinsel erobert hatten und die westgotische Bevölkerung beherrschten. Europa wird erneut zu einer Schicksalsgemeinschaft.

  •  Fredegar, Chronicum: Schlacht von Tours und Poitiers

Um 800 verstand man unter Europa einerseits den geographischen Raum der katholisch missionierten Gebiete, andererseits politisch und kulturell das Regnum Francorum unter dem Enkel von Karl Martell, Karl dem Großen (Karolinger). Europa wurde zu einem eigenständigen Begriff ohne Assoziation mit Asia und Africa. Karl der Große (768-814) war nach Eroberung weiter Gebiete Mittel- und Westeuropas Herrscher über ein Großreich (Regierungssitz Aachen). Wie die spätantiken römischen Kaiser sah er sich als Schutzherr und weltlicher Führer des Christentums. Papst Leo III krönte Karl den Großen Weihnachten 800 zum Kaiser. Das weströmische Kaisertum war wieder auferstanden und entwickelte sich aus dem fränkischen Reich unter Otto dem Großen 962 zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation (bis Franz II, 1806)

  • Epistula de litteris colendis: religiös motivierte Bildungsreform der karolingischen Rennaissance
  • Karl der Große: pater Europae: Viele Reformen
  • Verwaltung: Grafschaften an Getreue verteilt
  • Kirche: Reform der Liturgie, regula Benedicti wurden allen Klöstern vorgeschrieben; gegen Aberglaube und Sittenlosigkeit
  • Bildung: Lehrbuch zur Rechtschreibung und Grammatik, Normierung und Vereinheitlichung der lateinischen Sprache, einheitliche Schrift (karolingische Minuskel); Bibliotheken; Gründung höherer Schulen in allen Klöstern und Bischofssitzen. Inhalt: septem artes liberales.

Nach dem Tod Karls des Großen wird die Europaidee absorbiert in die geografische Idee der Christianitas (kirchliche Europa Idee: Europa + ecclesia). Die Kreuzzüge galten als erstes gesamteuropäisches Unternehmen. Auch hier wurde Europa wie schon mehrmals zuvor durch einen äußeren Feind zu einer Einheit.

  • Robertus Monachus Historia Hierosolimitana: Aufruf Papst Urbans II zum Kreuzzug bei der Synode von Clermont (1095)
Europa als Reichsskönigin von Heinrich Bünting, 1582
Europa als Reichsskönigin von Heinrich Bünting, 1582

 

Über Europa als politische Kategorie (politische Europa Idee: imperium = regnum = Europa) dachte zwar Dante nach, aber erst der Fall Konstantinopels 1453 begründete den modernen multinationalen politischen Europagedanken der Neuzeit. Diesen Europagedanken prägte besonders Enea Silvio Piccolomini (Papst Pius II), etwa in seiner Rede 1454 beim Frankfurter Reichstag, wo er zur Rückeroberung des ein Jahr zuvor von den Türken (Osmanen) eroberten Konstantinopel aufrief.

  • Enea Silvio Piccolomini, Türkenrede
  • Bedeutung Konstantinopels: Gründung der gr. Kolonie Byzantion: 7. Jhdt. v. Chr., von Konstantin im 4. Jhdt. n. Chr. zur neuen Hauptstadt des römischen Reichs ausgebaut. Nach 476 n. Chr. blieb die Stadt politischer, kultureller und religiöser Mittelpunkt des oströmischen Reichs. Bauwerk Hagia Sophia von Kaiser Justinian im 6. Jhdt. nach Chr. erbaut, bis heute erhalten. Eroberung Konstantinopels am 29. Mai 1453 = Ende des oströmischen Reichs.
  • Der letzte Kaiser: Die Zaren sahen sich als Nachfolger der römischen Kaiser. Unter Peter dem Großen wurde Zarentitel abgeschafft und in Imperator umgewandelt. Kaiser Franz II legte 1806 die römisch-deutsche Kaiserkrone nieder. Mit dem letzten Zaren Nikolaus II kam der Endpunkt des Römischen Kaiserreichs durch die Februarrevolution 1917.
  • Latein als Sprache der Diplomatie: Latein blieb verbindendes Element der europäischen Völker und Verständigungssprache (≠ Muttersprache) bis weit in die Neuzeit. Bilaterale Verträge, Westfälischer Friede (1648). Erst Ende des 17. Jhdts. wurde es durch Französisch abgelöst. In Osteuropa blieb es noch bis in 19. Jhdt. von Bedeutung. Seit dem 2. Weltkrieg hat sich Englisch als internationale Verständigungssprache durchgesetzt.

    Über Europa als politische Kategorie (politische Europa Idee: imperium = regnum = Europa) dachte zwar Dante nach, aber erst der Fall Konstantinopels 1453 begründete den modernen multinationalen politischen Europagedanken der Neuzeit. Diesen Europagedanken prägte besonders Enea Silvio Piccolomini (Papst Pius II), etwa in seiner Rede 1454 beim Frankfurter Reichstag, wo er zur Rückeroberung des ein Jahr zuvor von den Türken (Osmanen) eroberten Konstantinopel aufrief.